Leseprobe
Prolog
Ich gehe die Straße entlang,
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren, ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder herauszukommen.
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich falle immer noch hinein – aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine eigene Schuld.
Ich komme sofort heraus.
Ich gehe dieselbe Straße entlang,
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.
Und schließlich – ich gehe eine andere Straße entlang.
(eine alte buddhistische Weisheit)
Einführung
Viele Menschen leiden, innerlich, still und meist im Verborgenen. Es passt nicht zu unserem aufgeregten, modernen Leben, das innere Leiden, uns muss es doch gut gehen! Tut es das? Nein, denn die Wirklichkeit des Alltäglichen sieht oft anders aus und die Sprachlosigkeit darüber ist grenzenlos und so gewollt. Ich gehörte einst zu dieser schweigenden Mehrheit, bis ich im wahrsten Sinn des Wortes den Hals voll davon hatte und begriff, dass ich selbst daran etwas ändern kann. Mir tat es vor allem gut von anderen zu erfahren, dass sie sich mit ähnlichen Problemen durch die Tage kämpften und ebenfalls auf Abhilfe sannen. Das, was mir damals geholfen hat möchte ich nun mit diesem Buch fortsetzen. Ich schreibe über ein Leben, dass in Gefahr war und doch ganz lebendig sein wollte: In Freude, in Liebe, im Vertrauen auf sich selbst. Geht nicht, meint man, heute nicht und damals doch auch nicht! Und richtig, davon war auch ich einst soweit entfernt wie der Mond zur Erde. Und doch, und das war und ist das große Abenteuer, ist es mir gelungen meine Mitte und mich selbst zu finden. Die Suche nach der eigenen Wahrheit, das dokumentiert dieses Buch, hat mir mein Leben gerettet. Allen sei gedankt, die mir dabei geholfen haben.
Begonnen hat diese Geschichte vor langen Jahren, als ich noch ein Jüngling war. Damals wurde mir erstmalig bewusst, dass auch ich immer wieder in tiefe Löcher falle. Erschrocken war ich nicht nur über den Wiederholungscharakter, sondern auch, weil ich ahnte, dass ich es war, der mit dazu beitrug. Saß ich in einem solchen Loch, ging es mir schlecht und ich fühlte mich allein und deprimiert. Solche Gefühle mochte ich nicht und versuchte mit viel Aktivität da herauszukommen. Doch während dieser Krisen, in stillen Momenten, fanden existenzielle Fragen den Weg in mein Bewusstsein wie etwa: Was ist mit dir eigentlich los? Du hast Erfolg, dir müsste es doch gut gehen? Ist es an mir das zu verwirklichen oder ist alles Schicksal? Solche Gedanken zeigten Wirkung und vorsichtig begann ich, meine Gefühle etwas ernster zu nehmen. Als kleiner Macho neigte ich jedoch dazu, Unangenehmes beiseite zu schieben. Doch die Frauen um mich herum und eine Männergruppe nährten meine Neugier, meinen Empfindungen auf den Grund zu gehen. Allerdings – es ist ja nicht einfach, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen – als junger, hoffnungsvoller Filmemacher dachte ich auch, dass sich mit meinem interessanten und kreativen Beruf die Schatten, die wohl über meiner Seele lagen, nach wenigen Berufsjahren verflüchtigen würden. Das geschah jedoch nicht, im Gegenteil: Meine Melancholie und mein schwankendes Selbstbewusstsein behinderten meine beruflichen Aktivitäten.
Nach den ersten Jahren des Zusammenlebens mit meiner Partnerin konzentrierte ich mich zunehmend auf meine Filmarbeit und zog mich nach anstrengenden Projekten oftmals zurück, versank in Sprachlosigkeit. Doch mit der Zeit wurde mir das bewusst, denn natürlich verschärften sich die Konflikte mit meiner Frau. In den mühevollen Gesprächen fand ich jedoch keinen Zugang zur Ursache für mein Zurückweichen. Besonders wenn ich von meinen Reisen nachhause zurückkehrte, verfiel ich in eine merkwürdige Melancholie, die sich vermehrt und schnell in eine unerklärliche Traurigkeit verwandelte. Ich wusste schon in meinen Kindertagen nicht, warum ich manchmal so traurig wurde, bemerkte aber schon damals, dass dadurch meine Lust auf Abenteuer in den heimischen Wäldern schwand und die Traurigkeit mir meinen Eifer, meine Hingabe nahm. Nachdem es in der Ehe zu kriseln begann, wurde ich krank. Ich ahnte, dass diese Krankheit möglicherweise etwas mit meinen Problemen zu tun hatte und diese Ahnung war für mich Anlass genug, den wiederkehrenden Spannungen und Mechanismen auf den Grund zu gehen. Und da mein Zustand keinen Aufschub duldete, sich alles miteinander zu einer immer größeren inneren Not verband, ich nicht resignieren und weder meine Frau noch mein Kind verlassen wollte, wuchs mein Verlangen nach Hilfe. So machte ich mich auf die Suche nach meiner Wahrheit.
Als mich bei einem meiner ersten Workshops eine amerikanische Therapeutin fragte: „Do you want to change your Life“, sagte ich spontan und aus tiefstem Herzen, ja, ohne zu wissen, was das bedeuten könnte. Dass die Aufarbeitung meiner Probleme dann aber so bedeutsame und bereichernde Abenteuer für mich bereithielt, ahnte ich damals natürlich nicht. Mehr noch, ich war mit der Zeit zunehmend von der persönlichen, inneren Arbeit begeistert, denn was da ans Tageslicht kam, war für mich die ersehnte Befreiung. Weil ich tief vergrabene Traumata und Leiderfahrungen der Kindheit ins Licht des Bewusstseins heben konnte und damit Heilung erfuhr, ging es mir auch körperlich immer besser.
Zu diesem Prozess gehörte für mich die Auseinandersetzung mit meinen Eltern, die beide den Faschismus und den II. Weltkrieg miterlebt hatten. Wie, so fragte ich mich, kann man sich mit ihnen versöhnen, ohne die Wahrheit zu leugnen? Ich entdeckte bei Familienaufstellungen nicht nur familiäre Geheimnisse und Verstrickungen individueller Art, sondern wurde vor allem auch gewahr, dass kollektive, leidvolle Erfahrungen meiner Vorfahren über Generationen hinweg meine Seele beschatteten, deren Ursachen vielfach in den Katastrophen der deutschen Vergangenheit lagen. In den Heilprozessen kam eine Wahrheit zum Vorschein, die, so vermute ich, sicherlich viele Familien in Deutschland erleben mussten und unter denen nachfolgende Generationen heute noch leiden. Denn von den Eltern übernehmen wir Verhaltensweisen, Glaubenssätze und Gemütsverfassungen, die vielfach nicht die unsrigen sind und die uns oftmals nicht guttun. Die jungen Deutschen und Europäer heute haben meistens keine Ahnung davon, wie die Energien ihrer Eltern, Großeltern und Ahnen aus Krieg, Faschismus und sozialistischen Unrechtsstaaten auf sie einwirken. Diese von kollektiven und individuellen Tragödien durchzogene Lebenswelt meiner Ahnen anzuerkennen, um schließlich deren Schwere und Negativität energetisch für mich aufzulösen, ermöglichte es mir, dass ich aus dem Dunkel einer leidvollen deutschen Geschichte in das warme Licht meiner eigenen Essenz treten konnte. Diese bewegende Erinnerungsarbeit veränderte und befriedete das Verhältnis zu meinen Eltern.
Im Buch schildere ich jene bedeutenden biographischen Ereignisse, die zu bestimmten Problemen bei mir führten. Sie werden mit der Zeitgeschichte Deutschlands so verknüpft, dass ein Zusammenhang entsteht, der manche, auch grundsätzlichere Fragen aufwirft und teilweise auch beantworten hilft. Dabei spielt die Art und Weise wie wir in Deutschland unsere Kinder erziehen eine entscheidende Rolle.
Die Erziehung fußt im Kern immer noch auf den Glaubens- und Grundsätzen einer schwarzen Pädagogik aus dem 19. Jahrhundert. Um Eltern zu helfen und Alternativen zu benennen, stelle ich im Buch neue Möglichkeiten vor, was Erziehungsberechtigte tun können, um ein befriedigendes Verhältnis zu den Kindern zu entwickeln. In diesem Sinn wäre eine Wissenschaft nötig, die gelebte Geschichte in den Familien und den Schulen wahrnimmt, untersucht und auswertet, um schließlich auch das Schulsystem radikal umzubauen. Deshalb ist mir ein Ausflug in die Geschichte der Erziehung wichtig, der unter anderem auch erklärt, warum Frauen immer noch benachteiligt sind. Die dabei gefundenen Ursachen helfen auch bei der Klärung der Jahrhundertfrage vieler Historiker zum Holocaust: Wie nur konnte dieses Furchtbare durch die deutsche Kulturnation überhaupt geschehen?
Aufgrund meiner kommunikativen Arbeit in Gruppen, besonders mit Männern, beschäftige ich mich deshalb auch mit der Frage, wie Männer sich von den ungesunden Traditionen gerade in Deutschland lösen und sich verändern können. In den Vorschlägen dazu, liegt auch der Schlüssel für das Wohlergehen auf unserem Planeten Erde. Dieses Buch beschreibt folglich eine Emanzipation – die Freilegung der inneren, seelischen Skulptur durch die Aufarbeitung von persönlich erlebten Dramen, von Prägungen, Rollenzuweisungen und Glaubenssätzen, die ich nach meiner Erziehung aus Unwissenheit zu meiner eigenen Sache machte und die sich im Unbewussten etablierten. Was dieses Unbewusste eigentlich ist, wie es uns alle ständig beschäftigt und unsere Entscheidungen beeinflusst, versuche ich anhand neuester wissenschaftlicher Forschung zu enträtseln. Es war und ist für mich eine meiner Lebensaufgaben:
Unbewusstes zu Bewusstsein zu bringen, sodass ich mich vom Opfer zum Schöpfer meines Lebens entwickeln konnte. Es war eine Abenteuerreise die viel bedeutender war als alles, was ich je mit der Kamera hier auf diesem Planeten in meiner Filmarbeit erlebt habe. Denn während dieser Heilungsprozesse bekam ich völlig unerwartet und mehrfach Kontakt mit einer „anderen Wirklichkeit“, wie ich sie nenne – ohne irgendwelche Drogen oder andere Hilfsmittel zu nutzen. Ich bewegte mich im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte als spiritueller Energiekörper in jenen Sphären, die Carlos Castaneda oder Michael J. Roads beschrieben haben und die die klassische Wissenschaft bisher noch nicht anerkennt. Für viele Urvölker und fortschrittliche Wissenschaftler aber existiert diese andere Realität, das sogenannte wissende Feld als ein riesiger Resonanzraum, den man auch als Weltenbewusstsein, als Anima Mundi bezeichnen kann. Dazu gibt es neue, spannende Geschichten in diesem Buch.
Es ist eine Wirklichkeit in einer anderen Dimension, wo es weder Ort, noch Zeit, noch jegliche Dualität gibt. Dort bekam ich Informationen über mich und die Welt, deren Inhalte mich seit Jahrzehnten umtrieben und deren Wahrhaftigkeit für mich unumstritten ist. Beim wiederholten Eintauchen in ein für mich vollkommen neues Sein erfuhr ich, wie Glück entsteht und dass es jenseits unserer Alltagswelt noch einen ungeheuren Reichtum zu entdecken gibt, haben wir erst einmal unsere Ängste und Probleme entsorgt. Diesen ungewöhnlichen Erfahrungen versuche ich in diesem Buch ein lebendiges, aufrichtiges Gesicht zu geben.
Aufgrund der Erlebnisse dort komme ich zu der Einschätzung, dass uns diese „andere Wirklichkeit“ ständig umgibt und wir uns zu ihr tatsächlich einen Zugang verschaffen können. Damit haben wir die Chance, die Sprache unserer Seele und unseren Wesenskern wiederzuentdecken. Zu meinen Erfahrungen gesellen sich neue, aufregende wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen Kompass für dieses Buch darstellen. Die erforschten Themen sind also nicht abstrakt beschrieben, sondern in den Kontext wichtiger Erfahrungen und Erkenntnisse in meinem Leben eingebunden.
Bei all dem steht eine Frage besonders im Zentrum dieses Buches: Wie kann ich mich nachhaltig so verändern, dass das innere Leiden aufhört und ich eine neue, wohltuende Erfahrungswelt für mich kreieren kann, die mich dahin bringt, wonach meine Seele sich sehnt? Wie kann man in dieser aufgeregten Welt trotz unserer Alltagsrealität ein erfülltes Leben führen? Dazu mache ich aufgrund meiner Erfahrungen bestimmte Vorschläge zur Praxis des Lebens im Sein. Nach zweieinhalb Jahrhunderten der Konzentration auf den Verstand mit unzähligen Kriegen und Leiderfahrungen, erscheint mir die Befriedung der Welt nur dann möglich, wenn wir uns unserer Herzensenergie, unseren spirituellen Fähigkeiten zuwenden.
Das Buch ist eine Autobiographie, die eben nicht die Karriere, das Schöne und Glanzvolle zum Inhalt hat, sondern sich der gelebten Wahrheit eines Lebens verpflichtet fühlt und grundsätzliche Probleme unseres menschlichen Zusammenlebens thematisiert. Ich beschreibe eine innere Lebenswirklichkeit, die, wie ich im Laufe meiner Arbeit als Coach festgestellt habe, die Realität vieler ist: „Sich ins Leben schreiben“ nennt das die Autorin und Seminarleiterin Liane Dirks. Schon als junger Mann begann ich, meine Erinnerungen aus Kindheit und Jugend schriftlich festzuhalten und führte ein Tagebuch. Vor allem auch als jung verheiratetes Greenhorn in meiner ersten Ehe schrieb ich meine Erlebnisse und Gefühle auf. Hinzu kamen über viele Jahre die Aufzeichnungen von besonderen Erfahrungen in Workshops und Seminaren, die das Sammelwerk ergänzen.
Neben Briefen, die ich von meinen Eltern bekam, waren es auch viele Gespräche mit Vater und Mutter, die ich in mein Tagebuch aufnahm. Aufgrund meiner Recherchen und meinen Erfahrungen in vielen Seminaren mit Gleichaltrigen ist es für mich offensichtlich, dass die Kommentare meiner Eltern zu mir und meinem Leben ähnlich zu denen waren, die andere Eltern über ihre Söhne und Töchter und deren Wirken verkündet hatten. Sie dokumentieren eine Zeit, die nach dem Krieg Neubeginn sein sollte und doch so viel Dunkles aus vergangenen Epochen mit sich führte. Auf diese Weise wird meine persönliche Entwicklungsgeschichte mit der Nachkriegsgeschichte Deutschlands erzählt. Mit dem Buch und der darin geschilderten Entwicklung beende ich die Dramen, die mich Jahrzehnte beschäftigt hatten. Eine neue Zeit mit anderen, helleren Geschichten ist deshalb für mich angebrochen. Sie wird für mich durch aktuelle, wissenschaftliche und spirituelle Bücher vertieft, mit deren Inhalt ich mich verbunden fühle, die mir weiterhalfen und die im Anhang vermerkt sind.